Abriss

2. Dezember 2006

Anfang Dezember war es Zeit, sich den Taschenkalender für das nächste Jahr zu sichern. Dazu war es mittlerweile sein privater Brauch geworden, dass er jedes Jahr in eine geschützte Buchbinderwerkstätte fuhr, um sich dort sein dezent kreativ gestaltetes Exemplar auszusuchen, im Inneren gewährleisteten die immergleichen Einlageseiten mit dem Lesebändchen größtmögliche Kontinuität, sodass alles zusammen ihm eine Art Segen für die Zukunft versprechen mochte, und wer will das nicht.
Jetzt hatte sich aber eine Kleinigkeit verändert: Das – zugekauften – eigentliche Kalendarium verfügte plötzlich über ein perforiertes Eck, sodass man, war eine Woche vorbei, durch sein Heraustrennen beim Durchblättern mit dem Daumen stets zur aktuellen Woche finden konnte, sehr praktisch, wie es schien, und sicherlich mehrheitlich gutgeheißen in der bei solchen Projekten unabdinglichen Teamsitzung.
Wozu aber bitte dann das Lesebändchen?, dachte er sich und fand sich in seiner dräuenden saisonalen Mürrischheit bestätigt. Was blieb ihm auch anderes übrig, als sich mit dieserÄnderung seines kommenden Lebens abzufinden. Aus einem, wie er mit einemmal wusste, Instinkt heraus (keinem schlechten), hatte er nämlich Abrisskalender schon seit jeher verabscheut. Außerdem: wenn ein solches pures Vergänglichkeitsobjekt nachging, konnte es passieren, dass man, wie Karl Valentin, Weihnachten zu Johanni feiern musste.
Noch ärger aber wäre der Ganzjahresadventkalender, stellte er sich vor. Der würde auch noch kommen.