frühlingsmütter 2011

9. März 2011

liebe mba,

es geht hurtig durch fleiß
musikalisches akrostichon (violinientreu aufsteigend)

ich bettle.

[vorweg: ist schon aschermüttwoch heüt, der brief – und sein erscheinen hier – verspätet. will ja auch der frühling nicht recht heraus (wenn meine lieblingspraktikanten von orfon auch „nach schneeglöckchen und primel – sic! – dürfte es in den nächsten wochen zu einer regelrechten explosion der frühlingsblumen kommen” dichten). ist natürlich vom geschäftlichen her ein wahnsinn, mit einer regelrecht verspäteten briefexplosion jetzt erst daherzukommen, weil ich doch grad am ersten märz einen trombohuwabonischen auftritt gehabt habe, zu dem ich sie ohne extraaufwand einladen hätte können (war eh voll am augarten); die erfahrung aber lehrt, dass so ein periodisches e-werk allerhöchstens ein paar amüsierte (virtu- oder re-elle) schulterklopfer zeitigt, zudem weder die frischen noch die frisch aufgebähten tonträger in irgend erhöhter frequenz über meinen imaginären ladentisch gehen. wo also wäre der verlust? allerhöchstens geschah ein aufstacheln der mütterbriefverspätungswahrnehmer und innen, womit diejenigen meiner speziellen wertschätzung versichert seien, die das auftauchen des mütterbriefs in ihrem elektropostkastl bereits am 1. märz ab der mittagsstunde erwartet haben; bei ihnen – und nur bei ihnen – möchte ich um nachsicht für meine nachlässigkeit bitten – undaber werde ich nun allen die gründe darlegen müssen, weshalb das diesmal so kam, wie es, nunja: kommen musste.]

ich bettle.

(weiter)

wieder ist ein vierteljahr ins und übers und durchs land gezogen, das merke ich jedesmal beim selbstauferlegt-unverlangten schreibenmüssen des mütterbriefes, wie sie nun den neuesten in ihren virtuellen händen halten, also vermittelst ihrer realen augen bildschirmhinterleuchtet mindestens bis hierher gelesen haben. ein vierteljahr, das ist genau lang genug, dass man beginnen kann, unterschiede wahrzunehmen. nicht bei sich selbst, aber bei freunden, wenn man sie so lange nicht gesehen hat oder sie sich entzogen haben.

ich bettle.

aber ja, auch bei sich selbst. ich meine nicht im spiegel, den gibts täglich zumindest zweimal zum zähneblecken beim zähneputzen, ein jeder hat da seine persönlichen unbemerkten gewohnheiten, und wer sich noch mit den mühen einer frisur herumschlagen muss, augenstriche, lidschatten – was weiß ich – ist täglich multipel miroirerprobt, wenn auch spiegelverkehrt, was in der natur der sache liegt, und ist es doch ein glück, dass der spiegel nicht perfiderweise oben und unten auch noch vertauscht, die haare würden einem abstehen, während die ohren auch in dieser lage weiter beidseitig mehr oder weniger anliegen würden.

ich bettle.

was weiß ich habe ich interjektiv geschrieben. und das frage ich mich mit jedem vierteljährlichen mütterbriefschreiben noch dringender, in den verschiedensten wortabfolgemutationen zudem (was weiß ich … weiß ich was … ich weiß was … was ich weiß … ja auch sogar ich was weiß – wodurch wir uns bereits sprachmigrierend betätigt hätten, wenn auch nur andeutungsweise).

ich bettle.

natürlich kannst du auch schon in wesentlich kürzeren intervallen änderungen (verfalle, aufstiege) wahrnehmen. etwa beim schreiben eines textes, im wiederlesen, erscheint dir dein persönlicher erkenntnisstand am anfang von hinten her betrachtet als minder. also alles noch einmal von vorne anfangen, wodurch du dir wiederum am ende des textes, wie du ihn gerade hinterlassen hast, als von einem doch recht dürftig vollkommenen nur verfasst vorkommst. und so ginge das weiter, als würde ein düsenflieger im kreis fliegen, immer knapp hinter dem sich eben im himmelsblau auflösenden kondensstreifen her, wenn einen nicht jemand herausholte, zu tisch oder bett rufend. und es würde überhaupt gar nichts fertig, je, weltweit. was wiederum ehrlicher wäre. weil fertig, was wäre denn das, in aller vorläufigkeit, und es soll ja leute geben, für die sind letzte instanzen auch nicht definitiv, und wenn, dann ließen sie einfach die einschlägigen gesetze ändern, zögen zwischendecken mit geheimfächern nach bedarf nur für sich ein.

ich bettle.

halten wir es doch so, dass wir festgelegtes, abgeschlossenes in seiner scheinfestgelegtheit und scheinabgeschlossenheit zu respektieren beginnen. das ersparte etliche enttäuschungen. und sogenannte werke seien dokumente einer einigermaßen willkürlichen momentaufnahme, deren wir uns halt nun einmal bedienen müssen (müssen wir wirklich?).

ich bettle. organisiert.

ein solches werk, völlig vorläufig, aber unveränderlich in dieser festgehaltenen vorläufigkeit ist nun fertig. die mütterkinderlieder (nachmahler) erscheinen bei raumklang, einem sehr edlen deutschen label, im handel ab 15. april, bei mir jetzt schon. und 15. april, das ist in größtmöglicher mütterbriefveröffentlichungsdatumsferne, weil der nächste kommt, wenn’s wahr ist, am 1. juni, der 15. april ist – vom verstrichenen regeldatum 1. märz aus gerechnet – gewissermaßen mütterbriefneumond, und das passt ja auch zu dieser dunkelschönen musik, also wirklich.

ich bettle. organisiert und aggressiv.

hat tucholsky gesagt, dass würde der konjunktiv des deutschen seins sei? das österreichische deutsch ist da schon um ein paar klippen weiter.

bieete bieete.

was sich so alles verändert in einem vierteljahr, unglaublich. dass ein land in seiner fortschreitenden humanitätsabschaffung jedes vierteljahr in noch tieferer dumpfheit versinkt, immer noch tiefer absinken kann, die tiefsee ist gar nichts dagegen. was für ein unwürdiges wettrennen um bettelverbots- und menschenabschiebevorsprünge querlandein und -aus, weil wir wollen keine armen seelen sehen (soll die kirche für sie beten), und so sperren wir unser schlechtes gewissen weg, aus den augen aus dem sinn – aus dem herz schon längst. und der überbringer der unangenehmen nachricht wird geköpft, dann alle, die ihn gesehen haben könnten. treibende eisberge aber voraus! volle fahrt!

ich bettle.

armes land. keiner bräuche solche bräuche, würde man meinen, gar in unserem österreich, diesem selbsternannten spendenweltmeister, wenn alles schön sauber und herzeigeherzig aufbereitet sei. rettet unsere pandabären.

ich bettle.

vor übereilten maßnahmen wird gewarnt.

ich bettle.

wie könnte man den hetzern hier ein märchen erzählen, das sie läutere, ihnen die schuppen von den augen abschüttle? dass alles auf einmal nicht mehr gelänge, ohne dass man es sich erklären könne, weil genau ein unbeachtetes kleinstelement fehle. der bettler auf der straße wäre es, der durch sein almosenempfangen das wohlergehen der menschen in diesem landstrich erst ermögliche.

ich bettle.

aber kümmern wir uns doch um wichtigeres. nachrichtenverdichtung ist angesagt. im überlesen und übersehen geschult, streichen wir, weil es in einem aufwaschen geht (in österreich ist die formulierung des ged in an åhausn weit verbreitet – die überreiche erfahrung damit hat sich ins volksherz gebrannt), die nachricht und begnügen uns mit der überschrift, sechsmal (ich gebe zu, mit einer leichten mogelei). sie, geneigter leserin, haben die wahl (mehrfachnennungen nötig):

– mit uns passieren wunder zwischen den beinen
– das leben ist zu kurz um sich ueber die groesse ihres gliedes aufzuregen
– bekommen sie genau die groesse, die sie wollen
– wuerdevoll aussehen super billig mit top brand an hand
– bei diesen schweren zeiten braucht man wirklich starke pillen
– alle ihre sexuellen traeume werden sich verwirklichen
– mit uns passieren wunder zwischen den beinen

… das und nochvielmehr (einen lucky draw im euroonline-lotto, ohne teilgenommen zu haben; die fingierte einsetzung als anspruchsberechtigter auf ein afrikanisches milliardenerbe – ist grad saison) wünsche auch ich ihnen von ganzen herzen,

ihr bertl mütter

(stets der gleiche seit mehr als fünfundvierzigeinhalb jahren)

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service

mütterlog

– kaufen sie tonträger. gerne welche von mir. echt schöne musikalische vorläufigkeiten, praktisch und dekorativ.

muetter.at wird wirklich bald neu sein. ich werde kein extra lanà§ierungsmail aussenden, sie merkens ja, wenn sie hinklikken. da finden sie auch meine aktuellen termine.

– zuzugeben habe ich, dass ich diesen winter weder eis gelaufen noch stockgeschossen habe. aber glühwein getrunken. und glühschilcher, den auch.

– ansonsten studiere ich weiter. an allem, auch am leben.

– der nächste mütterbrief kommt zirka am 1. juni 2011 zu mittag.

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bettelarmes land. organisiert.

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das ende will glücklich enden. nundenn, akrostichemus (zwischenlinientreu):

fritz aß citronen-eis.

ach genau: wichtig ist, dass man sich täglich ins gesicht schauen kann. das erklärt manche politische frisur.