Schälchamäleon

3. Dezember 2008

Der zuspätpubertierende ausschießende Knabe in der S-Bahn am Abend, wie er sich seine Mandarine präpariert, die Umhängtasche legt er sich auf den Schoß, darauf zärtlich eine saubere Papierserviette, Ausstreifbewegungen macht er wie Oliver Hardy, er holt aus einer Jackentasche die bereits geschälte halbe Frucht hervor und legt sie links oben auf die Serviette, löst bedächtig eine von den verbleibenden vier Spalten ab und beginnt mit der Reinigung, achwas, eine quasiliturgische Purifikation ist das, pro Spalte braucht er zweidrei Stationen, alles langsamst, peinlichst genau, immer tendenziell unzufrieden, jedenfalls misstrauisch, ob das Ergebnis seinen Sauberkeitsansprüchen genügen könne (sicher nicht!), sodass er, da er doch nicht weiter herumfizeln will oder kann, die Spalte schließlich völlig genusslos und reflexhaft wie ein Reptil einwirft und verschlingt, kaulos, mit einem Hauch von Ekel, genau, um sogleich wieder in seine chamäleoneske Langsamkeit zu verfallen, ach hätte die S-Bahn nur hundert Stationen, der Bub könnte wirklich reine Mandarinenspeigerln schlucken, da aber die Sauberkeit von Mandarinen in jedem fall letztlich eine asymptotische sein muss – dazu kommt noch die Verunreinigung durch die völlig unverständlicherweise nicht gummibehandschuhten Schälfinger –, würden selbst tausend Chrislohnerstationen nicht ausreichen.

Litschis, jawohl, Litschis, wenngleich durch ihre explizit sexuelle Anmutung ansich obszön, wären’s.

Er ist ja noch jung und rein.