luftlosung

17. Dezember 2007

eine krähe war mit mir
aus der stadt gezogen
ist bis heute für und für
um mein haupt geflogen

wilhelm müller (1794-1827), gedichte aus den hinterlassenen papieren eines reisenden waldhornisten – die winterreise

langjährig getreue leser dieses meines zeitgemäßen reisetagebuchs: das warten auf den heurigen krähentext hat ein ende. obwohl, ich hatte nicht extra vor, auch heuer wieder mir wahrnehmungsgedanken zu den schwarzen galgensingvögeln zu machen. da es aber so gekommen ist wie es eben gekommen ist – hier mein heuriger krähentext, in enger assoziativer annäherung zur ersten strophe der krähe, die wir natürlich alle samtundsonders in der skurrilen schubertschen deutung im ohr haben, als gedicht allein ist es ab dem moment, wo du den text durch schubert erzählt bekommen hast, nicht mehr möglich, und wer würde etwa die ode an die freude lesen können, ohne beethovens melodie dazu im ohr zu haben, jene melodie, der die europäische union soviel übles angetan hat, aber das nur nebenbei.
mir hat nämlich eine äußerst dynamische krähe auf dem heimweg von der tagesarbeit auf den metropolischen müllhalden jenseits der donau zum schlafplatz im hugowolfpark mit unkrähenhafter verve aufs fenster gepatzt.
na sowas, sagen sie. und ich sage: ja sowas auch.
halten sie ihre fenster, so sie an lande- oder startschneisen schwarzer singvögel liegen, also nur für die so beliebte und viel zu wenig praktizierte stoßlüftung geöffnet, am besten zu normalen krähengeschäftszeiten, nicht jedoch am morgen oder am frühen abend. dies mein rat für die kürzesten tage, in denen wir uns gerade befinden.
zum abschluss noch eine frei dazu (oder auch nicht) zu assoziierende zeile, wieder vom unglücklichen herrn müller:

der reif hat einen weißen schein
mir übers haar gestreuet
da glaubt ich schon ein greis zu sein
und hab mich sehr gefreuet

(zur beruhigung: der greise kopf steht im original unmittelbar vor dem vogelvieh)